Kommentar, Jean-Claude Thümmel: Wasser!
Kommentar, Jean-Claude Thümmel: Wasser!

Die nationale politische Aktualität stellt im Moment so ziemlich alles in den Schatten. Die Skandale und Affären die derzeit unser schmuckes Ländchen erschüttern, gehen weit über das alltägliche und erträgliche hinaus. Jeder spioniert jeden aus. Keiner traut noch irgendwem und das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat ist nachhaltig gestört. Dass bei soviel Aufregung die internationale beziehungsweise europäische Aktualität in den Hintergrund rückt, wundert dann doch nicht. Fast unbemerkt hat nämlich der EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier einen veritablen Rückzieher in Sachen Konzessionsrichtlinie gemacht. Er erklärte am Rande einer Kommissionssitzung die Absicht zu haben die Wasserversorgung aus der mehr als umstrittenen EU-Konzessionsrichtlinie heraus zu nehmen. Er erklärte gleichzeitig, es sei nie in seiner Absicht gewesen über den Weg dieser Richtlinie, die Wasserversorgung quer durch die EU, neuerdings mit 28 Mitgliedsstaaten, zu privatisieren. Trotzdem sei es seiner Ansicht nach am Besten die Wasserversorgung vom Anwendungsbereich der Konzessionsrichtlinie auszunehmen. Außerdem sei er zur Auffassung gekommen dass der derzeitige Text zur Wasserversorgung niemanden zufrieden stellt.
Hört, hört!
Um was geht es genau. Eigentlich um mehrere Dinge. Doch der Reihe nach. Am 20. Dezember 2011 veröffentlichte die Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie des europäischen Parlamentes und des Rates über die Konzessionsvergabe. Ein schwerfälliger Titel für ein weitreichendes Regelwerk. Dazu die Hintergrundinformation der EU-Kommission zur Frage „Warum benötigen wir eine Richtlinie über Konzessionen“. Die europäische Kommission vertritt die Auffassung dass mehr Transparenz und Wirksamkeit bei der Vergabe öffentlicher Gelder spielen soll. Außerdem sollen mehr und neue Geschäftsmöglichkeiten für alle EU-Unternehmen dadurch möglich werden. Schließlich lag der Umsatz im Rahmen von Konzessionen in Sachen Wasserversorgung und Wasserbewirtschaftung im Jahre 2009 bei rund 50 Milliarden Euro. Es geht also um Geld um viel Geld sogar. Als die Abgeordneten im Binnenmarktausschuss am 24. Januar 2013 mit 28 Ja, 10 Nein Stimmen und zwei Enthaltungen den geänderten Richtlinienvorschlag angenommen hatten, gingen die Diskussionen erst richtig los. Es war leider nicht gelungen den äußerst sensiblen Bereich der Wasserversorgung aus dem Richtlinienvorschlag aus zu klammern. Damit hatten die Initiatoren der europäischen Wasserinitiative, welche seit Mai 2012, Unterschriften für das erste europäische Bürgerbegehren sammelten, endgültig keinen Grund mehr in ihrer Arbeit nach zu lassen. Und die Unterschriftenaktion fand regen Zuspruch bei den Bürgerinnen und Bürgern quer durch Europa. In der Zwischenzeit ist das Quorum von einer Million Unterschriften aus sieben europäischen Ländern erreicht. Trotzdem werden weiterhin Unterschriften gegen die desaströse Richtlinie gesammelt. Im März 2013 sah sich Barnier genötigt die Ausschreibungsregeln für die kommunale Wasserversorgung im Sinne der rein öffentlichen Wasserversorger abzuändern. Ein Umstand der sicherlich auf den unerwartet massiv artikulierten Widerstand durch die europäische Bürgerinitiative Wasser ist ein Menschenrecht, zurück zu führen ist.
Und die Zeit drängt.
Denn in einigen europäischen Ländern ist die Privatisierung des Wassers schon relativ weit fortgeschritten. Mit den zu erwartenden negativen Auswirkungen. In Berlin ist nach 13 Jahren „Öffentlich Privater Partnerschaft“ das Wasser 37 Prozent teurer, drei Wasserwerke wurden geschlossen und der Personalbestand drastisch verringert. Dazu kommt, Investitionen in Erhalt und Ausbau der Infrastruktur passen nicht zu schnellem Gewinn. Welche Auswirkungen die Kehrtwende des Binnenmarktkommissars auf die derzeit laufende Debatte zum Thema Einheitspreis in Luxemburg haben wird, ist im Moment fraglich. Fest steht nur dass auch jene erste Etappe zur Definition des sogenannten Gestehungspreises in die gleiche Richtung zeigt. Wird nämlich ein von unzähligen Kriterien abhängiges Kostendeckungsprinzip eingeführt, so sind wir ganz schnell in einer kommerziellen Logik, Wasser wird zur Ware. Wenn dann in einer zweiten Etappe die Definierung eines national einheitlichen Wasserpreises dazu kommt und Minister Halsdorf nicht müde wird zu betonen, das alles sei völlig losgelöst von der Konzessionsrichtlinie zu betrachten, sollten schon die Alarmglocken läuten. Und es ist ratsam auch weiterhin sehr aufmerksam hinzusehen und hinzuhören. Am 26. Juni bestätigten Parlament und Rat den Vorschlag Barniers. Kritische Stimmen mahnen zur Vorsicht. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Kommission nicht mit offenen Karten spielt. Es ist allerdings eine Premiere dass ein europäisches Bürgerbegehren in relativ kurzer Zeit so viel bewegen konnte. Das macht Mut!
Jean-Claude Thümmel
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