Le Signal Nr 12-2004
Editorial: Die Katze aus dem Sack
Der Direktor der Finanzinspektion, welcher nebenbei das Amt des Präsidenten des CFL-Verwaltungsrates inne hat, hat einen Tag nach dem Wahltermin, gelegentlich der Bilanzpressekonferenz der nationalen Eisenbahngesellschaft, die Katze definitiv aus dem Sack gelassen.
Anstatt der versammelten Presse die wahren Hintergründe der Probleme aufzuzeigen mit denen der Eisenbahntransport konfrontiert ist, so z.B. der unlautere Wettbewerb des Strassengütertransportes, versuchte die CFL-Führung die Medienvertreter von der Notwendigkeit eines drastischen Sozialabbaus bei der Eisenbahn zu überzeugen. Dieser Sozialabbau soll sich nicht auf den Eisenbahnsektor beschränken. Laut Berichterstattung in der Tageszeitung „Quotidien“ ging der Präsident des Verwaltungsrates ein Stück weiter in dem er meinte: „Cette réduction de salaire va constituer un modèle qui sera étendu à d'autres entreprises publiques“. Offensichtlich hatte der CFL-Präsident bei dieser Aussage die Kappe des Direktors der Finanzinspektion übergestülpt. Immerhin hätte man erwarten können, dass ein hoher Staatsfunktionär sich an einem Tag nach den Wahlen die notwendige Zurückhaltung auferlegt. Bei diesen Wahlen wurde die demokratische Partei wegen ihrer Transport- und Sozialpolitik abgestraft. Der Präsident der CSV bekundete vor den Wahlen im CSV-Profil vom 8.6.2004: „Es kommt mit der CSV nicht zu Entlassungen und schon gar zum Sozialabbau „op der Bunn“. Auch dann nicht, wenn es der eine oder andere LSAP-Kandidat mit fadenscheinigsten Gründen immer wieder zu suggerieren versucht“.
Wenn diese Aussagen auch nach den Wahlen noch Bestand haben sollen, müssten die CSV-Minister hohe Staatsfunktionäre, welche sich als soziale Brandstifter betätigen, zurückpfeifen und in die Schranken verweisen. Sollte dies nicht der Fall sein, müssen sich die Politiker Juncker und Biltgen den Vorwurf gefallen lassen, zugelassen zu haben, dass man sie und ihre soziale Botschaft auf CSV-Seite missbraucht hat, um die Wahlen zu gewinnen und um im Nachhinein eine neoliberale Politik zu verwirklichen.
Der Präsident des CFL-Verwaltungsrates scheint zu dem keine profunden Kenntnisse vom Eisenbahnbetrieb zu besitzen und von der Sozialgeschichte der luxemburgischen Eisenbahn keine Ahnung zu haben. Ansonsten würde er wohl nicht in den Medien verkünden, das Personalstatut würde noch aus einer Zeit stammen als die CFL noch Staatsbahn waren und es wäre als solches mit einem modernen Eisenbahnbetrieb unvereinbar. Dieses Statut wurde 1921 eingeführt, zu einem Zeitpunkt wo in Luxemburg ausschliesslich private Eisenbahnen tätig waren. Dieses Statut hat sich im Laufe der Jahrzehnte bewährt und einen sicheren und zuverlässigen Eisenbahntransport ermöglicht.
Nico Wennmacher
Die Maßnahmen, welche die CFL-Führungsriege vorschlägt um die Situation der nationalen Eisenbahngesellschaft zu gesunden, ähneln den Rezepten, welche die internationalen Finanzinstitutionen den Entwicklungsländern aufzwingen um deren Haushalte ins Gleichgewicht zu bringen. Die Erfahrungen lehren uns, dass bei Anwendung dieser Rezepte, die sich in Sozialabbau und Privatisierung resümieren, die wirtschaftliche und soziale Situation sich in diesen Ländern in der Regel weiter drastisch verschlechtert hat. Die bekundete Absicht, die Gehälter der zukünftigen Eisenbahner und öffentlichen Bediensteten um 30 % zu kürzen und die Aufstiegsmöglichkeiten der jetzigen Beamten zu verschlechtern, ist aus wirtschaftlicher und sozialer Sicht unverantwortlich. Derartige Gehälterkürzungen im öffentlichen Sektor würden eine ähnliche Welle des Sozialabbaus im Privatsektor auslösen. Auch wenn die Auswirkungen einer solchen Politik auf den Inlandkonsum und die gesamte Volkswirtschaft noch nicht in vollem Umfang absehbar sind, kann man davon ausgehen, dass Arbeitslosigkeit und Armut in erheblichem Umfang zunehmen würden. Auch bei den Sozialversicherungen würden Leistungskürzungen oder Beitragserhöhungen ins Haus stehen, da durch das Schrumpfen der Beiträge die notwendigen finanziellen Mittel fehlen würden.
Der geplanten Aufsplitterung der CFL-Gesellschaft in Einzelbetriebe respektiv Filialen und dem Ausverkauf unserer sozialen Errungenschaften können und dürfen wir nicht tatenlos zusehen.
Wir müssen uns wehren!
Um eine weitere Phase in dem uns aufgezwungenen Abwehrkampf einzuleiten, laden wir alle Militanten/innen und Mitglieder ein zu einer Militantenkonferenz am Montag, den 28. Juni um 18.00 Uhr im Casino Syndical.
Tribüne: Nach dem 13. Juni
Die Wahlen sind geschlagen. Wir bedanken uns bei allen Wählerinnen und Wählern, welche bei ihrer Stimmabgabe die Kandidatinnen und Kandidaten, die Mitglieder des Landesverbandes sind, ihr Vertrauen gaben. Etliche von ihnen haben den Sprung ins Parlament geschafft. Andere können noch die Hoffnung haben, über den Weg des Einzugs ihrer Partei in die nächste Regierung auch dabei zu sein. Wir beglückwünschen sie alle zu ihren guten Resultaten und hoffen, dass sie ihre Arbeit im Hohen Hause auch im Interesse ihrer Gewerkschaft und deren Mitglieder machen.
Der Gewinner der Wahlen heisst Juncker mit seiner CSV. Auch die Grünen und die LSAP konnten punkten. Grosser Verlierer ist die DP. Mit ihrem Wahlslogan „Zesummen no vir“ verloren sie 5 Sitze und gingen „zesummen no hannen“. Auch der ADR büsste 2 Sitze ein. Déi Lénk sind nicht mehr im Parlament vertreten.
Die DP wurde für die Politik der Regierung abgestraft. Die CSV, die schon über Jahrzehnte in Luxemburg das politische Zepter schwingt, kam ungeschoren davon und gewinnt noch 5 Sitze hinzu. Nicht weil sie eine super Regierungsarbeit machte oder ein Wahlprogramm mit revolutionären Ideen präsentierte. Ihr Wahlprogramm teilte sich lediglich in Jean-Claude Juncker und das Spiel mit der Angst der Menschen auf. Die Rechnung ging auf.
Für einen politischen Wechsel
Wir setzten uns vor den Wahlen für einen politischen Wechsel ein. Dieser Wechsel ist immer noch möglich. Oder will Juncker erneut mit der DP an die Macht? Geschieht dies, wird es sehr eng für die CFL und die Eisenbahner/innen und auch für die anderen öffentlichen Transportbetriebe und ihre Beschäftigten.
Die CSV und die DP waren in ihren Antworten auf unsere Wahlprüfsteine deutlich, dass sie das Personalstatut nur für die heutigen Eisenbahner/innen halten wollen. In dieser Hinsicht lassen die rezenten Aussagen des Präsidenten des CFL-Verwaltungsrates, Jeannot Waringo, der gleichzeitig Direktor der staatlichen Finanzinspektion und so dem CSV-Mann Frieden unterstellt ist, tief blicken. Er fordert im Dossier der CFL-Strategie 30% weniger Lohn für die zukünftigen Eisenbahner/innen und die Abschaffung des Statuts. Bei einer Neuauflage einer CSV-DP-Regierung wäre dies auf der Tagesordnung. Neben einem solchen Kahlschlag für die Neueinzustellenden, kann man sich leicht ausrechnen, welche Wirkungen dies auch auf die heutigen Eisenbahner/innen haben wird, umso mehr derselbe Funktionär unter CSV-Regie aussagte, die Beförderungsbestimmungen gleichzeitig negativ abzuändern, was sicherlich jeden treffen würde.
Alle Verkehrsbetriebe in Gefahr
Transportminister Grethen und seine DP gebaren mit der Hilfe der CSV kurz vor Ende der vergangenen Legislaturperiode ein Gesetz über die Reorganisation des öffentlichen Transports, das die bestehenden Strukturen zerstörte und der Konkurrenz Tür und Tor sperrangelweit öffnet. Dazu sagte uns die CSV, dass die öffentlichen Betriebe lernen müssten in einer liberalisierten Welt zu leben. Also steht sie zu diesem Gesetz.
Wir sind der Meinung, dass dieses Gesetz dahingehend abgeändert werden muss, dass die jetzigen Strukturen erhalten bleiben, um zu ermöglichen einen Verkehrsverbund zu schaffen, in dem alle öffentlichen und privaten Verkehrsbetriebe ihre bisherigen Kompetenzen behalten und gleichberechtigte Partner sind.
In diesem Zusammenhang sei es erlaubt auch die Arbeitslosigkeit in Luxemburg anzusprechen, die in den letzten Jahren enorm angestiegen ist. Schrumpfende öffentliche Betriebe tragen sicher nichts zur Verbesserung der Situation bei. Und eine Öffnung des ÖPNV in Luxemburg würde zugleich mit Sicherheit ausländische Unternehmen anziehen, die zu Dumpingpreisen die luxemburgischen Betriebe zu Grunde richten und Arbeitsplätze vernichten würden.
Mit einer Neuauflage der austretenden Regierung würde es, gesehen wie CSV und DP sich bei unseren Wahlprüfsteinen artikulierten, sehr mies für die im Transport Beschäftigten und die Beschäftigten im öffentlichen Dienst werden.
Wie fügte doch der CFL-Verwaltungsratpräsident bei seinen Aussagen über die Abschaffung des Personalstatuts für die Eisenbahner/innen hinzu: Das was bei den CFL geschieht ist sicher auch ein Modell für die anderen öffentlichen Unternehmen.
Mit den Konservativen und den Liberalen im Gleichschritt sicherlich. Darum sind wir auch nach den Wahlen der Meinung, dass obschon die CSV Regierungspartei wird, ein anderer Partner als die DP dabei sein muss, um die totale Deregulierung zu verhindern.
Aber auch diesem Partner, egal welcher politischer Couleur, sagen wir, dass er mit unserem bedingungslosen Widerstand rechnen muss, wenn er sich daneben benimmt.
Guy Greivelding
Der Kommentar
Die Bahnen sind ein bedeutendes Kapital sowohl auf wirtschaftlicher als auch auf sozialer Ebene und ihre Rolle sowie ihr Nutzen sind beträchtlich. Ihre anerkannten Vorteile in punkto Umwelt und Energieeinsparung prädestinieren sie für den Zukunftsverkehr, und ihr Wiederaufblühen bildet eine Erfolgsaussicht für Europa. Eine gesunde Annäherung der Verkehrspolitik würde verlangen, daß dieses Kapital zum Nutzen der Allgemeinheit eingesetzt und gefördert wird.
Die Bahnen können ihre Vorteile aber nur ausspielen, wenn sie auch über Personalbestände verfügen, die Funktion des Verkehrsaufkommens sind und eine Dienstleistung von Qualität gewährleisten. In einer Situation wo jedoch die Politik die anderen Verkehrsträger bevorteilt und ungleiche Wettbewerbsbedingungen nach wie vor zulässt, ist die Gefahr groß, daß die Entwicklung sich weiter negativ auf die Beschäftigung bei den Eisenbahnunternehmen auswirkt und die Gefahr mit sich bringt, daß die erzielten Fortschritte wieder aufs Spiel gesetzt werden. Es steht außer Zweifel, daß eine derartige Entwicklung, verbunden mit den bereits bestehenden Beschäftigungsproblemen in einer Zeit wo die Arbeitslosigkeit ein unannehmbares Ausmaß erreicht hat, soziale Unruhen auf europäischer Ebene auszulösen droht.
Die von der europäischen Kommission eingeleiteten Schritte zur weiteren Liberalisierung des Verkehrs sind kontraproduktiv, weil sie nicht von bedeutsamen Fortschritten in der Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen begleitet sind. Seit der Unterzeichnung des Vertrags von Rom haben die Eisenbahnen an dem Kohärenzmangel der europäischen Verkehrspolitik gelitten. Dies hat sich namentlich in einer nicht unwesentlichen Verzögerung in den Investierungen gezeigt.
Es liegt also bei der Gemeinschaft, dafür zu sorgen, daß diese Verzögerung schnell abgebaut wird, damit die Chancenungleichheit zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern kein nachteiliges und unüberwindbares Hindernis bildet, das die Zukunft zerrütten würde.
Roland Schreiner