Le Signal Nr 22-2004
Editorial: Freude auf Feiertage nicht vergällen lassen!
In ihren Forderungen nach Sozialabbau befinden sich die europäischen Patronatsverbände auf gleicher Wellenlänge. Auffallend dabei ist, dass sich die luxemburgischen Patronatsorganisationen in letzter Zeit besonders hervor tun. Sie möchten die soziale Absicherung der arbeitenden Menschen zurückschrauben, den Mindestlohn und die automatischen Indexanpassungen abschaffen. Der Staat soll Spielraum für weitere Steuergeschenke an die Betriebe schaffen, in dem er bei seinen Ausgaben kürzer Tritt.
Die Aussagen des Budgetberichterstatters Laurent Mosar vor der Abgeordnetenkammer haben erkennen lassen, dass die Patronatsforderungen in der CSV-Welt offene Ohren finden. Als guter Patronatsanwalt will Mosar den von Juncker und Frieden eingeleiteten Steuersenkungswettlauf zu Gunsten von Banken und anderen Betrieben weiter vorantreiben. Den Rotstift will der Berichterstatter bei den Sozialausgaben und bei den Aufwendungen für öffentliche Dienstleistungen, und hier von allem beim öffentlichen Transport ansetzen. Trotz der Tatsache, dass viele Gemeinden zunehmend mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, soll die Gewerbesteuer halbiert werden.
In Sachen Absenken der Betriebssteuern hat Budgetminister Frieden den Aussagen seines Kollegen Mosar wohl einen Dämpfer verpasst, allerdings hält auch Frieden in den nächsten Wochen eine Diskussion über alle Elemente der Sozialausgaben für angebracht. Der Staat soll Spielraum schaffen um neuen Aufgaben u.a. im Rahmen der europäischen Sicherheitspolitik gerecht zu werden. Die Absicht des Budgetministers, alle Ausgaben im Zusammenhang mit sozialen und öffentlichen Dienstleistungen in Frage zu stellen respektive einzufrieren, lässt befürchten, dass ein neuer Umverteilungsprozess von unten nach oben eingeleitet werden soll.
Die Befürworter eines solchen Umverteilungsprozesses, aus Staat und Wirtschaft, erhielten kürzlich die Unterstützung vom französischen Wirtschaftsprofessor Fontagné, welcher in der Abbaye Neumünster einen Bericht über die Wettbewerbsfähigkeit der luxemburgischen Wirtschaft vorstellte. Dieser Bericht, welcher im Auftrag der nationalen Tripartite erstellt wurde, erinnert an die Gutachten, welche von privaten Beraterfirmen erstellt werden um in Betrieben Restrukturierungen und Sozialabbau zu rechtfertigen. Gewöhnlich werden die zutreffenden Maßnahmen vorgegeben. Das Gutachten oder der Bericht soll die Rezepturen rechtfertigen und alle Sozialpartner von der Stichhaltigkeit der vorgeschlagenen Strategie überzeugen.
Es würde im Rahmen dieses Artikels zu weit führen, den Fontagné-Bericht in allen Einzelheiten dar zu stellen und zu kommentieren. Dieser Bericht im Zusammenhang mit den Patronatsforderungen und mit den Aussagen der CSV-Politiker macht deutlich, dass wir die gewerkschaftliche Gegenwehr organisieren müssen, um massiven Sozialabbau zu verhindern.
Selbst Nicht-Gewerkschafter zeigten sich nach der Vorstellung des Wettbewerbs-Berichtes, in persönlichen Gesprächen, davon überrascht, dass elementare soziale Errungenschaften wie der soziale Mindestlohn und die automatischen Indexanpassungen, ohne Umschweife in Frage gestellt werden. Der Herr Wirtschaftsprofessor tut dies mit einem Schuss an Innovation um die Sozialpartner nicht allzu sehr zu brüskieren.
An Stelle des normalen Mindestlohnes soll ein Aus- und Weiterbildungsmindestlohn eingeführt werden. Der Mindestlohnbezieher soll während 4 Tagen in der Woche arbeiten und hierfür 60 % vom Mindestlohn erhalten. Den Rest soll der Staat beilegen, wenn der Betroffene sich am 5. Tag weiter bilden lässt.
Die Löhne und Gehälter sollen nur mehr bis knapp über dem Mindestlohn an die Lebenshaltungskosten angepasst werden. Der Rest der geschuldeten Anpassung soll einem individuellen Fortbildungskonto zugeführt werden. Ob auch die Bezieher von Renten und Pensionen sich noch weiter bilden müssen und deshalb nur einen Teil ihrer Anpassung erhalten, geht aus dem Bericht nicht hervor.
Öffentliche Dienstleistungsbetriebe waren den liberalen Wirtschaftsgutachtern schon immer ein Dorn im Auge. Schuld am schleppenden Wandel zur Informationsgesellschaft soll gemäß Fontagné das nationale Postunternehmen sein, da es noch immer über die Mehrheit der Kunden im Telekombereich verfügt. Zu befürchten ist, dass hier ein Vorwand gesucht wird um das Postunternehmen aufzuteilen und die Einzelteile zu privatisieren.
Mit dem Aufzeigen der Gefahren für die öffentlichen und sozialen Dienstleistungen sowie für unsere Arbeitsplätze wie sie sich aus einer Reihe von politischen Äußerungen ergeben, möchten wir keineswegs unseren Mitgliedern die kommenden Feiertage vergällen. Wir wünschen unsern Lesern und Mitgliedern ein schönes und erholsames Jahresende, damit wir alle für die kommenden gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen bestens gewappnet sind.
Der Kommentar
Wenn das Patronat sich zufrieden mit den Resultaten von Studien über Wettbewerbsfähigkeit zeigt heisst dies für die Gewerkschaften höchste Vorsicht, Wenn auch dann noch das Patronat, wenn auch nur indirekt über den Weg der Tripartite, als Auftraggeber einer solchen Studie steht, muss man sich über das Resultat nicht wundern. So bringt denn auch die Fontagné-Studie, die kürzlich veröffentlicht wurde, nur wenig Neues auf den Tisch und die 10 Gebote des französischen Professors befürworten eher bessere Rahmenbedingungen für die Unternehmer, was erfahrungsgemäß verschlechterte Lohn- und Sozialbedingungen für das arbeitende Volk bedeutet, als dass sie wirklich Visionen aufdecken. Die Eisenbahner kennen sich mittlerweile mit solchen Studien aus.
Die Handelsföderation setzt noch einen drauf und droht, bei einer Erhöhung des sozialen Mindestlohns ab Januar 2005 ganz auf niedrig qualifizierte Arbeitskräfte zu verzichten. Dies bedeutet jedoch dann auch nichts anderes, als dass sie beabsichtigt besser qualifizierte Arbeitskräfte mit dem Mindestlohn abzuspeisen.
Die Politik sieht in diesem Bericht ein Versteck aus welchem heraus sie die Diskussion um die Lohnindexierung entfachen kann und, in einer solche Diskussion wird es mit Sicherheit nicht um eine Verbesserung des Indexierungssystems für die Arbeitgeber gehen. Wir werden sehen. Einiges steht uns jedenfalls bevor.
Trotz all dem wünsche ich von dieser Stelle aus ein schönes Jahresende und ein gesundes neues Jahr 2005.
Tribüne: Der öffentliche Transport ist ein Grundbedürfnisunserer Gesellschaft
Der CSV-Abgeordnete und Budgetberichterstatter Laurent Mosar brachte es fertig in persönlichen Überlegungen zu sagen, dass der öffentliche Transport für die Benutzer teurer werden müsste. Der ADR-Abgeordnete Jean-Pierre Koepp haute in umgedrehter Art in dieselbe Kerbe und wollte in einer parlamentarischen Anfrage Details über die Einnahmen im nationalen ÖPNV haben.
Was bezweckten die beiden Parlamentarier damit? Will der eine wirklich die Benutzer mehr zur Kasse bitten und will der andere den Gratistransport einführen? Oder ist ihnen die Politik des neuen Transportministers Lucien Lux, den öffentlichen Transport wirklich nach vorne zu bringen, ein Dorn im Auge?
Vorrang für politische Bedeutung des öffentlichen Transportes
Egal was die beiden und andere meinen, sagen oder auch kaputt reden wollen. Wir freuen uns, dass die Politik dem öffentlichen Transport endlich den Stellenwert zukommen lässt, den er wirklich verdient. Noch nie wurde soviel in den öffentlichen Transport investiert, wie das im nächsten Jahr der Fall sein wird. Es werden mehr Gelder für den Fonds du Rail als für den Fonds des Routes zur Verfügung gestellt. Eine tolle Sache für die Eisenbahn, die eine wirkliche gesellschaftspolitische Komponente darstellt. Der öffentliche Transport ist eine Gemeinschaftsaufgabe und zählt zu den Grundbedürfnissen unserer Gesellschaft. Seine politische Bedeutung muss Vorrang vor betriebswirtschaftlichen Aspekten haben.
Auch ist nicht ausser Acht zu lassen, dass die Eisenbahn eine wichtige Rolle, so wie sie unser Kollege Roland Schreiner auf den RTL-Wellen beschrieb, in der Umsetzung des Kyoto-Abkommens spielt. Der öffentliche Transport, und so auch die Eisenbahn, liefert einen wichtigen Beitrag zu einer gesunden Umweltgestaltung. Abgase werden vermindert genauso wie vom Individualverkehr produzierter Lärm. Der öffentliche Transport ist eine echte Alternative zur Energieverschwendung und Umweltbelastung, welche die Konsequenz einer immer mehr spürbaren Verkehrsüberlastung sind.
Eine Verteuerung des öffentlichen Transportes wäre sicherlich dem gesteckten Ziel, ein Modalsplit von 75/25 zugunsten des öffentlichen Transports schnell herbeizuführen, nicht dienlich. Steigende Tarife würden bestimmt die Anziehungskraft des eigenen Autos fördern. Damit will ich den Individualverkehr nicht verteufeln, die meisten von uns fahren einen Pkw, doch wären solche Massnahmen wie die Verteuerung eher kontraproduktiv zur Förderung des öffentlichen Transportes. Es wäre eine falsche politische Entscheidung für einen attraktiven öffentlichen Transport.
Attraktiver öffentlicher Transport durch attraktive Preise
Die Tarifstrukturen müssen im Verhältnis zum Individualverkehr attraktiv bleiben und auch die sozialen Gesichtpunkte berücksichtigen. Der öffentliche Transport muss für alle Bevölkerungsschichten erschwinglich bleiben.
Eine radikale Umkehr zum Gratistransport wäre der falsche Weg. Qualität und Sicherheit sind die Aushängeschilder des öffentlichen Transports. Mit der Einführung des Gratistransports wären diese „Atouts“ nicht mehr absolut gewährleistet. Denn sicher würde die Abschaffung der Fahrkartenkontrollen in den Zügen in Vorschlag gebracht. Die Diskussion über die Abschaffung des Zugbegleitpersonals, das für Sicherheit und Qualität in den Zügen sorgt würde wieder aufflammen. Nein danke, das wollen wir nicht!
Auch das Personal in den Fahrkartenschaltern würde seinen Job zum Teil los werden. Die Einführung der elektronischen Fahrkarte wird uns in diesem Zusammenhang schon genügend Kopfzerbrechen bereiten.
Wir verteidigen sowohl die Interessen der Beschäftigten im öffentlichen Transport als auch den Erhalt einer guten öffentlichen Dienstleistung. Beides gepaart kann nur im Interesse der Benutzer sein.
Frohe Festtage und ein glückliches neues Jahr 2005.