Nr 17-2011 vom 25. November 2011
Editorial, Guy Greivelding: Den Personenverkehr auf der Schiene weiter entwickeln …

Weltweit wird von einem Gesundschrumpfen der Eisenbahnen gesprochen. Schon 1977 zeigte die Eisenbahner-Sektion der ITF auf, dass die Orientierung der Aufgaben der Verkehrsunternehmen überwiegend oder gar allein an der Forderung nach betriebswirtschaftlicher Rentabilität zu Resultaten führte, welche die Versorgung von Bevölkerung und Wirtschaft mit Verkehrsleistungen hinsichtlich Qualität und Preis eher ungünstig beeinflussten und nicht zuletzt eine Politik des sozialen Fortschritts zugunsten der Verkehrsbeschäftigten erschwerte.
Die über Jahre praktizierte Liberalisierungspolitik im Eisenbahnsektor ist ersichtlich Folge dieser schon vor Jahrzehnten betriebenen Politik. Neben der Bekämpfung dieser Politik, machten wir uns in den letzten 30 Jahren stark für einen modernen, qualitativ guten und effizienten öffentlichen Personenverkehr. Nicht wenig stolz sind wir darauf, dass wir Anfang der achtziger Jahre mit unseren Aktionen zum Erhalt, zur Modernisierung und Elektrifizierung der Nordstrecke eine Wende in der Eisenbahnpolitik einleiten und das Bewusstsein erwecken konnten, dass in die Schieneninfrastruktur, das Material und in das Angebot investiert werden müsste.
… in Luxemburg
In den neunziger Jahren erstellten wir Vorschläge für ein zukünftiges Globalkonzept im öffentlichen Transport. Nicht ohne Wirkung. Nach langem Hin und Her entwickelte der vorherige Transportminister Lucien Lux das Konzept „ mobil 2020“ mit dem Ziel bis zum Jahre 2020 ein Modalsplit von 75 zu 25% für den öffentlichen Transport zu erreichen.
Der aktuelle für den Transport zuständige Minister Claude Wiseler nennt sein Konzept „Mobilité durable“, das auf dasjenige seines Vorgängers, wie er sagt, aufbaue. Lux erstellte ein Konzept u.a. zur Entlastung des Hauptbahnhofs mit Peripheriebahnhöfen in Cessingen und Howald mit Anschluss an eine innerstädtische Trambahn. Ein wichtiges Element dieses Konzeptes war die Realisierung einer klassischen Eisenbahnlinie vom Hauptbahnhof Luxemburg über den Findel zum Kirchberg (Luxexpo), als exzellente Umsteigeplattform zwischen traditioneller Bahn, Trambahn und Bus gedacht.
Nicht verstehen können wir, auch wenn es mit dem Fehlen von finanziellen Mitteln begründet wird, dass nun das doch so wichtige Projekt einer Linie Luxemburg/Bahnhof-Findel-Kirchberg nicht mehr auf der Prioritätenliste steht. Eine Fehlentscheidung.
Selbstverständlich begrüßen wir alle Investitionen in die Infrastruktur, u.a. die Fertigstellung der Zweigleisigkeit der Strecke Petingen – Luxemburg, den Bau einer neuen Strecke Luxemburg - Bettemburg mit einem Peripheriebahnhof auf Howald. Die billigere Variante einer Haltestelle „Pont rouge“ zur Variante einer Eisenbahnstrecke zum Kirchberg wird sicher ihren Zweck erfüllen, aber niemals eine direkte Bahnverbindung zwischen dem Bahnhof Luxemburg und dem Kirchberg ersetzen können.
Wird der Peripheriebahnhof Cessingen aufgegeben? Minister Wiseler erwähnte ihn mit keinem Wort anlässlich unserer rezenten Transportkonferenz. Er sprach von einem neuen Bahnhof in Hollerich, der den Busverkehr von der Cloche d’Or her auffangen soll. Soll das die neue Idee sein und was ist mit dem Projekt Peripheriebahnhof Cessingen? Wie soll das Projekt Hollerich aussehen? Diese Fragen möchten wir umgehend beantwortet haben.
Nicht umhin kommen wir unser Nein zur Schließung von Bahnhofsschaltern zu wiederholen. Wir werden keinem neuen Verkaufskonzept zustimmen, das eine Verschlechterung der öffentlichen Dienstleistung beinhaltet. Der Fahrgast soll sich in einem einladenden mit Personal ausgestatteten Bahnhof mit einem attraktiven Angebot an öffentlichen Dienstleistungen in öffentlicher Hand, zudem auch der Fahrkartenverkauf gehört, wohl fühlen.
... und über die Grenzen hinaus
Ein öffentlicher Transport, alleine auf unser Staatsgebiet ausgerichtet, genügt nicht. Die Grossregion muss schienengebunden vernetzt sein, mit einem guten Angebot und einer Kapazitätserweiterung Richtung Luxemburg im Interesse der kontinuierlich steigenden Pendlerströme.
Am Ausbau der internationalen Verbindungen muss weiter gearbeitet werden. Die TGV-Verbindungen nach Paris sind bestens, das Fahrplanangebot nach Straßburg und die zeitraubenden Verbindungen nach Brüssel und Lüttich sind wahrlich zurzeit kein Dienst am Kunden. Attraktive Zugverbindungen in die großen deutschen Zentren fehlen. Im neuen Fahrplanangebot nach Koblenz, nach dem Aushöhlen des IC-Fahrplans, sehen wir auch noch nicht den Idealfall.
Vieles bleibt noch zu tun, um einer nachhaltigen Transportpolitik den richtigen Inhalt zu geben.
Guy GREIVELDING
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2011-17 4.13 Mo