Nico Wennmacher: Historischer Kompromiss
Nico Wennmacher: Historischer Kompromiss
Die Minister Modert und Biltgen haben die Gehälterreform im öffentlichen Sektor als historischen Kompromiss bezeichnet. Dem können wir nur beipflichten. Die bisherigen Gehälterrevisionen im öffentlichen Sektor waren stets darauf ausgerichtet, die einzelnen Laufbahnen gerechter einzustufen und die soziale Situation der Bediensteten zu verbessern. Die nun vereinbarte Gehälterreform beinhaltet vor allem soziale Verschlechterungen.
Um die bittere Pille der Gehälterrevision schmackhafter zu machen, wurde dieselbe an ein überfälliges Gehälterabkommen gekoppelt. Auch dieses Abkommen trägt keineswegs dem wirtschaftlichen Aufschwung und den gestiegenen Anforderungen an die öffentlichen Bediensteten Rechnung.
Nach 2010 wurde für 2011 eine neue Nullrunde vereinbart. 2012 wird mit dem Juligehalt eine Prämie von 0,9% vom Jahresgehalt ausbezahlt. Schließlich soll ab 1. Januar 2013 der Punktwert um 2,2% angehoben werden. In Anbetracht der Nullrunden und der Einmalprämie bedeutet dies eine durchschnittliche bleibende Gehälteraufbesserung von 0,55% pro Jahr.
Die im Gehälterabkommen enthaltene Abschaffung der Krisensteuer ist zu begrüßen. Sie ist das Resultat der allgemeinen gewerkschaftlichen Mobilisierung und dient an dieser Stelle dazu, ein ungenügendes Verhandlungsergebnis zu verschönern.
Was jedoch vor allem stört, ist die offensichtliche Gegenfinanzierung der mickrigen Gehälteraufbesserung durch soziale Verschlechterungen bei der Gehälterreform. Vor allem die jüngeren und zukünftigen Beamtinnen und Beamten müssen die Rechnung begleichen.
Ausweitung der Prekarität bei geringerem Gehalt
Dank der Mobilsierung sämtlicher Gewerkschaften, in erster Linie des Landesverbandes und des OGBL, konnte der generelle Angriff auf die Anfangsgehälter unterbunden werden. Allerdings wird die Stage-Zeit und damit die Dauer eines prekären Arbeitsverhältnisses auf 3 Jahre angehoben. Bei nicht sofort bestandenem Examen wird die Prekarität 4 Jahre andauern, bevor über die definitive Einstellung oder die Entlassung in die Arbeitslosigkeit entschieden wird.
Während den ersten 2 Jahren erhalten die Anwärter nur 80% von dem üblichen Gehalt, im 3ten Jahr 90%. Die Herabsetzung des Gehaltes während der Stage- Zeit und die Verlängerung desselben, haben neben dem Einsparungseffekt, auch als Resultat die Arbeitsplätze, im öffentlichen Sektor gegenüber dem Privatsektor, unattraktiver zu machen.
Eine langjährige Forderung der Patronatsorganisationen geht somit in Erfüllung.
Die neuen Modalitäten der Stage- Zeit bringen nicht nur Nachteile für die zukünftigen Bediensteten im öffentlichen Sektor. Sie sind auch in verschiedenen Betrieben schwer anwendbar. So etwa bei der Eisenbahn. Es ist nämlich schier unvorstellbar, dass Anwärter mit Stage-Entschädigung auf einem Sicherheitsposten arbeiten.
Anstatt die Stage-Zeit zu verlängern, sollte diese auf ein vernünftiges Maß reduziert werden.
Dies bedeutet keineswegs, dass wir einer Schmalspurausbildung das Wort reden. Je nach Berufsbild dauert die Ausbildung unterschiedlich lang. Während in verschiedenen Berufen 1 Jahr genügt, ist in andern Berufen die Lernzeit auch nach 3 Jahren noch nicht abgeschlossen. Bedingt durch organisatorische und technische Veränderungen, ist oft lebenslanges Lernen angesagt.
Deshalb kann man nicht das ganze Berufsleben zur Stage- Zeit umfunktionieren. Nach unserer Auffassung muss ein Jahr Stage ausreichen, um herauszufinden ob eine Kandidatin oder ein Kandidat sich für einen Beruf eignet und den Anforderungen gerecht wird.
Individualisierung und Sozialabbau
Für sämtliche Staatslaufbahnen wird eine individuelle Bewertung eingeführt, die über das berufliche Weiterkommen mit entscheidet. Dies geschieht nach der Stage-Zeit, beim Übergang vom allgemeinen zum höheren Kader und anschließend bei jeder Promotion. Ob diese Bewertung objektiv sein wird, bleibt fraglich. Sie wird der Solidarität zwischen den Beschäftigten abträglich sein, nach dem Motto: Jeder ist seines Glückes Schmied.
Ob man, angesichts der Individualisierung der Laufbahnen, noch von einer Harmonisierung der Aufstiegsmöglichkeiten sprechen kann, bleibt fraglich. Die im Projekt vorgesehene Harmonisierung wird leider begleitet von drastischen Verschlechterungen bei verschiedenen Laufbahnen.
Mit der Abschaffung der Ausbezahlung einer vorgezogenen halben Biennale in den Jahren wo keine Biennale erfällt, will der Staat 9 Millionen, zu Lasten der jüngeren Kolleginnen und Kollegen einsparen. Auch die Neureglung der „ allocation de famille“ zielt in die gleiche Richtung. Diese wird auf 27 Punkte vereinheitlicht, aber nur dann ausbezahlt wenn ein Kind zu Lasten des Empfängers ist. Für die derzeitigen Nutznießer bleibt die Zulage zu den aktuellen Bedingungen erhalten.
Die Ausmerzung der Härtefälle und die längst überfällige Neueinklassierung von verschiedenen Laufbahnen, so des „ingénieur industriel“, wurden für den Herbst aufgeschoben. In Bezug auf die, ursprünglich vorgesehene, freie Wahl von Personalvertretungen in den staatlichen Verwaltungen, konnte die CGFP sich durchsetzen, denn diese werden auch in Zukunft nicht stattfinden. Diese Möglichkeit zur demokratischen Meinungsäußerung der Staatsbeamten war sicher kein vordringliches Anliegen der Regierung, denn Ministerin Modert konnte in einem Wort-Gespräch verkünden: Alle großen Prinzipien unserer Reformvorhaben haben Eingang in die Abmachung gefunden, geändert wurden während den Verhandlungen die Details.
Für die Minister Modert und Biltgen ist dieses Abkommen eine Halbjahrhundertreform und ein Brückenschlag mit dem Privatsektor. Dem kann man nicht widersprechen. Leider wird, sollte dieses Reformwerk widerspruchlos akzeptiert werden, der Brückenschlag eine weitere Etappe zur Aushöhlung des öffentlichen Statuts und zur Harmonisierung nach unten darstellen.
Nico Wennmacher
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