Editorial, Jean-Claude Thümmel: Zesummen eng staark Stëmm!
Editorial, Jean-Claude Thümmel: Zesummen eng staark Stëmm!

Was bedeutet der Maifeiertag wie er im deutschen Sprachraum auch genannt wird heute für die Mehrzahl der Beschäftigten? Für die meisten ist es der Tag der Arbeit, ein gesetzlicher Feiertag ohne religiösen Hintergrund, ein historischer Tag um sich zu erinnern oder ganz einfach nur eine willkommene Gelegenheit mit der ganzen Familie den Beginn der schönen Jahreszeit zu feiern. Egal wie Mann oder Frau es anstellt, Fakt bleibt, dass am 1. Mai die Rechte der Arbeiter – auch Lohnabhängige genannt – im Vordergrund stehen. Und das macht mehr als Sinn.
Aber woher kommt dieser 1. Mai-Feiertag eigentlich her? Wie ist er entstanden? Um diese Fragen zu beantworten muss man etwas weiter ausholen. Der 1. Mai als Kampftag der Gewerkschaften geht allgemein auf die Forderung nach dem 8-Stunden-Arbeitstag zurück. Am 1. Mai 1856 fand in Australien eine Massendemonstration statt, welche den Achtstundentag forderte. In Anlehnung an dieses Ereignis rief die nordamerikanische Arbeiterbewegung am 1. Mai 1886 zum Generalstreik zur Durchsetzung des Achtstundentages auf. Zum 100. Jahrestag des Sturms auf die Bastille, trafen sich am 14. Juli 1889 rund 400 Delegierte sozialistischer Parteien und Gewerkschaften aus zahlreichen Ländern zu einem internationalen Kongress in Paris. Der Kongress verabschiedete unter anderem eine Resolution des Franzosen Raymond Félix Lavigne mit folgendem Wortlaut: Es ist für einen bestimmten Zeitpunkt eine große internationale Manifestation zu organisieren, und zwar dergestallt, dass gleichzeitig in allen Städten an einem bestimmten Tage die Arbeiter an die öffentlichen Gewalten die Forderung richten, den Arbeitstag auf acht Stunden festzusetzen.
Kampftag der Arbeiter
Der amerikanische Arbeiterbund hatte zu diesem Zeitpunkt bereits beschlossen von nun an den 1. Mai im Rahmen großer Kundgebungen an die Proteste zu erinnern bei welchen mehr als 340.000 Arbeiter auf die Straße gingen. Der größte Streik fand damals in Chicago statt, wo der Protest auf dem „Haymarket“ blutig niedergeschlagen wurde. Mit dem 1. Mai 1890 war der weltweite „Kampftag der Arbeiter geboren“. Somit feiern wir heute ein historisches Jubiläum und erinnern uns an 125 Jahre Kampf der Arbeiterbewegung für bessere Arbeitsbedingungen. Doch vor den Protestierenden und Streikenden lag noch ein langer Weg.
Die 40-Stundenwoche wurde in Luxemburg erst ab 1975 generell eingeführt. Seit nunmehr 40 Jahren hat sich an der Wochenarbeitszeitfront also nichts mehr getan. An diesem 1. Mai sollten wir uns alle daran erinnern, dass der 1. Mai – der Tag der Arbeit – aus der Not der arbeitenden Bevölkerung heraus geboren wurde. Den eisernen Willen bessere Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt und dem enormen Arbeitsdruck, dem die Lohnabhängigen verstärkt ausgesetzt sind, ist es mehr als angebracht die Frage nach einer substanziellen Arbeitszeitverkürzung zu stellen. Und zwar mit Nachdruck.
Die vorhandene Arbeit muss gerechter verteilt werden und Arbeit darf nicht krank machen. Dass Handlungsbedarf besteht wird ersichtlich, wenn man den Durchschnitt der effektiv geleisteten Arbeitsstunden pro Jahr und pro Beschäftigten miteinander vergleicht. Die entsprechenden Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: 1.570 effektive Arbeitsstunden im Jahre 2005, 1.616 im Jahre 2010. Um sich im Jahre 2012 auf hohem Niveau zu stabilisieren. Die Situation bei den Überstunden ist ähnlich. Insgesamt arbeiten die Lohnabhängigen in Luxemburg länger als in den Nachbarländern. 21 Prozent mehr als in Belgien, 14 Prozent mehr als in Frankreich und immerhin noch acht Prozent mehr als in Deutschland. Doch das reicht der Industriellenvereinigung FEDIL wohl nicht.
Immer wieder wird das Argument der Wettbewerbsfähigkeit im Rahmen der Debatten um die Arbeitszeit ins Feld geführt. Als die Regierung eine Flexibilisierung des Elternurlaubs andachte ist die FEDIL ohne Zögern auf den Zug einer weiteren Flexibilisierung der Arbeitszeit aufgesprungen und hat sofort den Druck verstärkt. Doch damit nicht genug. Es ist eine Tatsache, dass sowohl die Brutto- wie die Nettolohnquote seit dem Jahre 2000 deutlich gefallen ist. Das heißt, dass der Teil des geschaffenen Mehrwerts, welcher in die Lohntüte fließt, kleiner wird. Die Gewinnquote der Unternehmen aber weiter wächst. Das ist mehr als sozial unverträglich.
Stimme erheben
Wir werden an diesem ersten Mai unsere Stimme aber auch gegen alle anderen sozialen Unverträglichkeiten und Ungerechtigkeiten erheben. Im öffentlichen Dienst zum Beispiel. Hier wird auf Kosten zukünftiger Berufseinsteiger Sozialabbau betrieben um, wie es heißt, die Attraktivität des öffentlichen Dienstes nachhaltig zu senken. Ziemlich zynisch!
Die am 1. Januar 2013 in Kraft getretene Pensionsreform war sicherlich keine soziale Notwendigkeit um das Pensionswesen in Luxemburg für die nächsten Jahrzehnte abzusichern. Sie bedeutet aber für quasi alle eine faktische Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Angesichts eines prognostizierten Wirtschaftswachstums von 3,3 Prozent für das Jahr 2015 und 3,7 Prozent für die Jahre 2016 und 2017 muss Schluss sein mit den Sparprogrammen der Regierung. Die Budgetausgleichsteuer muss zurück genommen werden, genau wie die Erhöhung der Mehrwertsteuer.
Die für 2017 angekündigte Steuerreform muss zu einer gerechteren Verteilung des im Lande geschaffenen Reichtums führen. Kapitalerträge und Betriebsgewinne müssen stärker besteuert werden. Wir werden nicht zulassen, dass der angekündigte Spitalplan sowie die Reform der Pflegeversicherung auf Kosten der Versicherten, Kranken oder Pflegebedürftigen gehen.
Auch weiterhin gilt „Hände weg vom Index“. Wir werden auch weiterhin aktiv den Ausverkauf öffentlicher Dienstleistungen bekämpfen. Wir müssen gemeinsam den Sozialstaat stärken. Gemeinsam unsere Stimme erheben. Die Geschichte des 1. Mai hat bewiesen, dass wir wenn wir es gemeinsam anpacken, viel erreichen können.
Jean-Claude Thümmel
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