Editorial, Jean-Claude Thümmel: Was kommt!
Editorial, Jean-Claude Thümmel: Was kommt!

Wir gehen mit Riesenschritten dem Ende des Jahres 2015, das ganz bestimmt als bewegter in den Erinnerungen bleiben wird, entgegen. Die zweite Hälfte des Monats Dezember ist geprägt von meistens positivem Stress. Auch die nicht praktizierenden Christen unter uns sind davon überzeugt, dass Weihnachten gefeiert werden soll. Ja, Weihnachten steht vor der Tür. Das Fest, das uns dazu verleitet dem Ende des Jahres erwartungsvoll entgegen zu sehen, Bilanz zu ziehen und sich erste Gedanken darüber zu machen, was im Neuen Jahr besser werden soll. Weihnachten, das Fest der Liebe und der Besinnlichkeit. Das Fest des Schenkens und der Beschenkten. Manche von uns tun dies eher krampfhaft, andere absolut frei von Zweifeln. Die Lieben werden eingeladen zu Gans, Gänseleber und allerlei schwer verdaulich und teilweise ungesundem Festtagsschmaus. Weil das so Tradition ist, und Traditionen nicht einfach so verloren gehen sollen.
Traditionen sollen, nein, müssen gepflegt werden. Weil die gegenseitigen Erwartungen doch hoch sind und man sich nicht gegenseitig enttäuschen will. Nicht mehr und nicht weniger. Weihnachten und die Vorweihnachtszeit werden in diesem Jahr allerdings etwas anders ablaufen. Viele von uns werden wohl mit eher gemischten Gefühlen, die Weihnachtsmärkte in der Region besuchen und den großen Menschenmassen in den Supermärkten und Geschäften begegnen. Es herrscht seit den Attentaten vom 13. November 2015 in Paris eine angespannte Stimmung bei den Leuten vor. Auch wenn wir uns das nicht eingestehen wollen, die Zweifel und das subjektive Unsicherheitsgefühl bei uns allen sind permanent vorhanden.
Die durch absolut nicht zu rechtfertigenden Anschläge von Paris haben tiefe Spuren hinterlassen. Nicht nur bei all denen die ihre Lieben durch diese bestialischen Attacken verloren haben. Der Schmerz muss wohl unermesslich sein. Paris wurde in diesem Jahr schon zum zweiten Mal Schauplatz islamistisch motivierter Attacken. Der mörderische Anschlag auf die Redaktion der Satirezeitung „Charlie Hebdo“ vom siebten Januar 2015 mit insgesamt 12 Toten hat bei uns allen Abscheu und absolutes Unverständnis ausgelöst.
Blinder Hass
Ein großer Teil der Redaktionsmannschaft wurde bei diesem Anschlag Opfer blinden Hasses. Es war der schwerste Terroranschlag in Frankreich seit 40 Jahren. Die drei Täter hätten „Gott ist groß“ geschrien und „Wir haben den Propheten gerächt“. Dann seien sie mit fast chirurgischer Präzision und enormer Kaltblütigkeit vorgegangen. Die ganze Welt war geschockt hieß es. Die Tat sei ein Angriff auf die Demokratie und die Pressefreiheit. Fast genau 10 Monate später ist Paris erneut das Ziel terroristischer Attacken bei denen mehr als 130 Menschen ihr Leben verlieren. Diesmal ist Paris, Frankreich und die Welt nicht nur geschockt sondern durch den Schmerz gelähmt. Nach dem Anschlag auf „Charlie Hebdo“ titelte eben diese Satirezeitung „Tout est pardonné“ und natürlich dem Propheten Mohammed der ein Schild in der Hand hält mit dem Schriftzug „Je suis Charlie“. Charlie Hebdo lässt sich nicht einschüchtern und zugleich sollte man sich verneigen vor so viel menschlicher Größe angesichts des vielfachen Mordes an Kollegen und Freunden. Vor dieser ausgestreckten Hand gegenüber Menschen muslimischen Glaubens. Mohammed weint, und selbst der Hintergrund des Korans ist in dunkelgrün gehalten. Der Farbe des Propheten. Gerade so als wollten die Überlebenden zum Ausdruck bringen: Liebe Muslime wir wissen, nicht eure Religion ist die Ursache dieser Barbarei, sondern die Perversion des Glaubens. Das alles geschah nicht in eurem Namen, so das Online-Magazin „Netzpolitik.org“ am 13. Januar 2015. Frankreich hat am 27. September 2015 Stellungen der Extremistenorganisation „Islamischer Staat“ in Syrien bombardiert. Und sich damit erstmals via Luftangriffe in den syrischen Bürgerkrieg eingeschaltet. Das Präsidialamt in Paris teilte damals mit, das Land unterstreiche damit seine Entschlossenheit, die „terroristische Bedrohung“ zu bekämpfen. Ministerpräsident Manuel Valls sagte, Frankreich schütze sich so vor Anschlägen von Extremisten. Rückblende: am 11. September 2001 werden die USA von den fürchterlichsten Anschlägen in ihrer Geschichte mitten ins Herz getroffen. Mehr als 3500 Menschen finden den Tod.
War on terror
Die Reaktion der Bush-Administration ließ nur kurz auf sich warten. Der unter Präsident Ronald Reagan geprägte Begriff „Krieg gegen den internationalen Terror“ wurde zum Inbegriff der Interventionen der Alliierten in Afghanistan und am Horn von Afrika. Der „War on Terror“ hat alleine in Irak, Afghanistan und Pakistan, weit mehr als eine Million Tote gefordert. Und der Krieg gegen den Terror geht weiter. Mit welchem Ausgang ist völlig offen. Zumal der Krieg gegen Diktaturen des mittleren Ostens noch nicht beendet ist. In Syrien will der Westen eine Allianz schmieden welche die gemäßigten Rebellengruppen einschließt. Nun, Al-Kaida Vorläuferorganisationen galten vor einiger Zeit in Afghanistan auch als gemäßigte Rebellen die von der CIA üppig mit Waffen und Geld versorgt wurden. Der IS hat einige reiche Geldgeber, die in einem sehr freundschaftlichen Verhältnis zu den USA und einigen europäischen Regierungen stehen. Immer wieder tauchen die Namen von Staaten wie Saudi-Arabien, Katar und Kuwait auf. Natürlich gibt es keine Belege dafür, aber IS fühlt sich dem Wahhabismus verpflichtet der in Saudi-Arabien den Status einer Staatsreligion genießt. Doch nicht nur die Gegenwehr nach außen hat mit den Anschlägen von Paris eine neue Qualität gewonnen. Auch im Innern soll der Feind bekämpft werden. Auch wenn die europäischen Staaten von einem Patriot-Act nach amerikanischem Muster noch relativ weit entfernt sind, so muss uns die Einschränkung der Bürgerrechte doch alarmieren. Luxemburg will da natürlich nicht abseits stehen und plant mit weitgehenden Antiterrormaßnahmen vorzupreschen.
Die bestehenden Gesetze werden den Realitäten angepasst, so Premier Bettel am Dienstag 1. Dezember 2015. Das staatlich angeordnete Ausspionieren soll effizienter werden. Das Abhören von Telefongesprächen, Wohnungen und dergleichen sowie des Ausspähen von Computern via Trojaner soll die Terrorgefahr bannen. Weitgehende Befugnisse der Polizei sollen Terrorakte zu verhindern helfen. Wenn dem so wäre, hätten dann von den insgesamt 352 Massenschiessereien in den USA alleine in diesem Jahr nicht wenigstens einige verhindert werden können? Die Beschneidung der Bürgerrechte wird keine Probleme lösen sondern viele schaffen. Genau wie die Kriege gegen den Terror. Vielleicht hilft Besinnlichkeit.
Jean-Claude Thümmel
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